Wie twittern Politiker?
Wie viele Politiker sind auf Twitter aktiv? Wie häufig twittern sie? Was wird geschrieben? Erzeugt das Bürgernähe? Hilft es im Wahlkampf?
Ein Überblick über das Twitter-Verhalten der MdB und der Wahlkämpfer der niedersächsischen Landtagswahl 2013.
Dieser Artiel ist die schriftliche Zusammenfassung einer Präsentation, die ich im Januar 2013 an der HTW Berlin hielt.
Wie viele Politiker twittern?
Von 619 Abgeordneten twittern 230 aktiv (im letzten halben Jahr mindestens eine Nachricht gesendet).
CDU/CSU | SPD | FDP | Die LINKE | Bündnis 90/Die Grünen | |
Sitze im Bundestag | 237 | 146 | 93 | 76 | 68 |
Twitter-Accounts | 64 | 50 | 48 | 34 | 44 |
Verhältnis | 17% | 34% | 52% | 45% | 65% |
Seit wann twittern die Politiker?
Twitter wurde 2006 gegründet. Die Twitter-Anfänge der deutschen MdB scheinen vom US-Wahlkampf 2008 inspiriert zu sein. Der erste MdB des 17. Deutschen Bundestages mit Twitter-Account war Johannes Vogel von der FDP. Er eröffnete seinen Account am 28.07.2008 und twittert seitdem durchgehend aktiv (im Schnitt 1,6 Nachrichten pro Tag).
Im September 2008 wurden dann viele Accounts der FDP-Fraktion angelegt (welche zum Teil aber nur zur Namenssicherung dienten und nie aktiv waren).
Die anderen Parteien begannen im August 2008 (Hubertus Heil, SPD), September 2008 (Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen), Dezember 2008 (Stefan Müller, CDU/CSU) und Januar 2009 (Halina Wawzyniak, Die LINKE). 2009 wurden dann auch 140 weitere Accounts aller Parteien eröffnet — bevor es zur Bundestagswahl im September 2009 einen Rückgang von Neuregistrierungen gab. Seit Herbst 2012 wurden keine neuen Twitter-Accounts registriert.
Wie verteilen sich Accounts, Follower und Tweets auf die Parteien?
Verglichen mit der Zahl der Sitze im Bundestag sind die kleinen/jungen Parteien aktiver bei Twitter als die großen. Die FDP sticht bei Follower-Zahlen hervor, während die Grünen am meisten schreiben.
Natürlich gibt es jeweils eine große Bandbreite. Jede Partei hat sehr aktive und sehr inaktive Twitterer. Am Aktivsten sind Folgende Abgeordnete:
Wer hat die meisten Follower?
Dr. Kristina Schröder (@schroeder_k) 32.757 Follower |
|
Peter Altmaier (@peteraltmaier) 31.478 Follower |
|
Volker Beck (@Volker_Beck) 28.279 Follower |
|
FDP-Fraktion (@FDP_Fraktion) 25.033 Follower |
|
Sigmar Gabriel (@sigmargabriel) 18.731 Follower |
(Stand: Januar 2013)
Zum Vergleich: Barack Obama hat 25.000.000 Follower, David Cameron 200.000 und sein Amtsaccount als Prime Minister, 2.000.000 Follower.
Welche Inhalte werden verschickt?
Es findet – mit 7% der Nachrichten – relativ wenig Dialog statt. (Relativ zu meiner Erwartung. Ich kenne keine Twitter-weiten Zahlen hierzu.) Umso mehr werden Links verschickt (zu Pressemitteilungen, Artikeln, Fotos) und geretweetet (was eine sehr einfache Form der "Inhaltsgenerierung" ist).
Wobei zu beachten ist: aus dieser Statistik entfallen direkte Tweets an Persionen via "@Screenname" am Anfang des Tweets, weil diese Nachrichten nicht in der öffentlichen Timeline erscheinen und somit nicht von Bundestwitter ausgewertet werden.
Wahllkampf in Niedersachsen
Im Landtagswahlkampf 2013 für Niedersachsen habe ich die Accounts der amtierenden Abgeordneten sowie aller twitternden Kandidaten beobachtet. Hier einige Impressionen (die ich noch vor der Wahl beispielhaft zusammengetragen habe).
Die Beispiele zeigen, dass das Twitter-Verhalten stark variiert. Jede Partei hat "gute" (authentisch, dialogfreudig) und "schlechte" (unpersönliches Broadcasting) Twitter-Accounts. In der Tendenz war mein Eindruck, dass die FDP und CDU Twitter eher zum Verbreiten von Statements und Meldungen benutzen. Die SPD war um mehr Bürgernähe bemüht, aber das war eher selten. Die Linke war in Niedersachsen wenig aktiv (mit Ausnahme von Victor Perli), aber authentisch und dialogfreudig. Die Grünen waren fleißig und authentisch, ebenso wie die Piraten, die natürlich in diesem Medium viel Erfahrung haben. Bei ihnen vermischen sich politische Inhalte aber stark mit privaten, sodass man beim Folgen den Privatpersonen näher kommt als den Politikern.
In der Nachbetrachtung – wo man immer schlauer ist – kann man sagen: CDU twitterte zu professionall (= nicht authentisch). SPD hat es hinbekommen. FDP zu passiv. Piraten nicht professionell (im klassischen Politik-Sinn) genug. Grüne aktiv und authentisch. Die Freien Wähler waren auch auf Twitter aktiv, aber fielen nicht ins Gewicht. Die Kandidaten anderer Parteien hatten keine Twitter-Accounts.
Natürlich haben auch die Medien sich die Onlinekompetenz im Wahlkampf angesehen. Ein Auszug von Beiträgen:
- "Vorbild Obama? Web-Wahlkampf in Niedersachsen" von Birgit Reichardt, NDR.de
- "Wahlkampf im Internet" Hallo Niedersachsen - 02.01.2013 19:30 Uhr