Open Source in deutschen Newsrooms
Vorab: bei Recherchen weiß man ja nie, was man übersehen hat. Daher bin ich dankbar für jeden Hinweis, Ergänzung oder Korrektur. Am besten per Twitter: @thomaspuppe.
Ich folge seit einiger Zeit dem Twitter-Account @NewsNerdRepos. Er versendet jedes mal einen Tweet, wenn eine große Onlinezeitung ein GitHub-Repository veröffentlicht. Mir fiel auf, dass dort keine deutschen Medien vertreten sind -- obwohl diese laut Liste durchaus zum Teil beobachtet werden. Also habe ich selbst mal recherchiert, und einen Überblick über offenen Code und offene Blogs in deutschen Newsrooms erstellt.
Große Zeitungen: große Vorbilder
Die großen englischen Zeitungen erzeugen viel Open Source Code. Die Washington Post hostet bei GitHub Daten zu Police-Shootings und Cloud-Tools, und pflegt ein Developer-Blog. Die Financial Times hat einen Account mit Frontend-Repositories von der productiv-seite, sowie ein FT Labs Konto mit Experimenten und Tools. Auch New York Times hat verschiedene Accounts: einen für die Website, ein NYT Labs und eins für den NYT Newsroom. Außerdem gibt es ein Development-Blog und eine Artikel-Such-API. In Europa tut sich bekanntlich der Guardian hervor mit GitHub-Repositories -- unter anderem eines mit dem Frontend-Code von www.theguardian.com -- und einem empfehlenswerten Developer-Blog. Zudem gibt es eine Art Entwickler-Recruiting-Seite.
Natürlich sind auch anderssprache Zeitungen vertreten, wie z.B. Le Monde oder Hürriyet. Aber es soll hier um deutsche Medien gehen. Also?
Und in Deutschland?
Ich habe mich auf die Suche gemacht nach offenen Repositories, Entwicklungs-Blogs, oder zumindest Twitter-Accounts, mit denen Newsrooms und Entwicklungsabteilungen Teile ihrer Arbeit veröffentlichen.
Die großen 15:
Zunächst zu den reichweitenstärksten Nachrichtenportalen in Deutschland laut Statista/IWV.
Bild.de: unter der Marke Bild habe ich nichts gefunden. Der Axel Springer Verlag hat einen aktiven GitHub-Account samt vielversprechender github.io-Seite. Es gibt außerdem eine Ideen-und-Strategie-Abteilung mit eigenen Repositories sowie eine (offenbar eingestellte?) Abteilung namens "iPool".
Spiegel Online: zweieinhalb ältere Projekte bei GitHub -- da gab es wohl mal einen Versuch.
Zu Focus Online und n-tv.de habe ich nichts gefunden.
upday pflegt einen GitHub-Account sowie ein Tech Blog.
Die Welt hat einen sehr aktiven GitHub Account, der von AWS über Swift bis Frontend und Kantinen-Slackbot einige Projekte umfasst.
Von ZEIT Online: gibt es einen GitHub-Account, in dem vor allem Module des selbst geschriebenen ZOPE-CMS veröffentlicht sind. Außerdem sind die Coding-Guidelines und der Sourcecode des anonymen Whistleblower-Briefkastens öffentlich. Ein Dev-Blog berichtet über technische Entwicklungen -- leider viel zu selten. Oh, und es gibt einen scheintoten Twitter-Account. (Disclaimer: ZEIT Online ist mein Arbeitgeber.)
Sueddeutsche.de: Im GitHub-Account liegen Frontend-Experimente und Daten-Tools.
Zu FAZ.net, Stern.de, Gruner + Jahr, Huffington Post, Funke Medien Gruppe, RP Online, Express Online und Handelsblatt.com habe ich keine Repositories oder Blogs gefunden.
Kleinere Medien
Das preisgekrönte Interaktiv-Team der Berliner Morgenpost stellt bei GitHub Rohdaten seiner Anwendungen zur Verfügung. Tools und Quellcode der Anwendungen sind zahlreich bei Webkid, den Codern hinter den Projekten, zu finden. Die bloggen auch.
Beim Tagesspiegel gibt es einen fast leeren GitHub Account. Deren Data Scientist Sebastian Vollnhals ist aber sehr aktiv im eigenen Account und im ausgegründeten "Data Department" des Tagespiegel.
Ähnlich verhält es sich mit Steffen Kühne vom BR Data Team. Apropos:
Öffentlich-Rechtliche
Der Norddeutsche Rundfunk veröffentlicht Tools auf GitHub. Vom ZDF ist das Projekt Lobbyradar (mittlerweile unter der Obhut von Netzpolitik.org) auf GitHub zu finden. Das "junge Angebot von ARD und ZDF" betreibt einen GitHub-Account mit aktuellen Repos.
IT-Medien
Der Heise-Verlag hat einen kaum noch aktiven GitHub-Account, Golem ein einziges, aber schönes Nerd-Repo. Von t3n gibt es ein verwaistes Repository, von Netzpolitik gar nichts.
Fazit
... ist ernüchternd. Die großen internationalen Medien zeigen, wie es gehen kann. Natürlich haben die ein vielfaches der deutschen Budgets. Dennoch könnten hiesige Newsrooms und Entwicklungsabteilungen offener sein. Axel Springer ist vorn dabei, die Welt hat mit dem ansprechenden Relaunch auch viel Open Source veröffentlicht.
Mit etwas Stolz sehe ich uns bei ZEIT Online mit vorn dabei, auch wenn die aktive Veröffentlichung von Inhalten oder das Neuveröfentlichen von Code-Repositories eingerostet ist.
Die Berliner Morgenpost zeigt, dass man zumindest Datensätze veröffentlichen kann, um Recherchen transparenter zu machen und vielleicht neue Projekte zu inspirieren (was z.B. SRF Data sehr gut macht).
Nicht zuletzt ist Open Source und öffentliches Tech-Bloggen ein wirkungsvolles Recruiting-Instrument -- hier könnte sich jeder hervorheben, der nur irgendwas tut. Der Guardian zeigt wie das im Idelfall aussehen könnte.